Debatte um Mottowagen Düsseldorf: „Nichts von Karneval verstanden“

Von: Peter Sieben

Ein Mottowagen des Rosenmontagszugs 2023 in Düsseldorf.Mit der Aufschrift „Wer ist hier der Klimaterrorist?“ zeigt dieser Mottowagen des Düsseldorfer Rosenmontagszugs 2023 einen Aktivisten der letzten Generation, der vor einem qualmenden Auto sitzt. © Federico Gambarini/dpa

Ein Mottowagen für den Rosenmontagszug in Düsseldorf wurde schon vorab teilweise verraten: Aus Angst vor Störungen durch sogenannte Klima-Kleber. Jetzt ist der Wagen komplett zu sehen.

Düsseldorf – Traditionell ist es jedes Jahr das vielleicht bestgehütete Geheimnis der Stadt: Wie werden die Mottowagen von Wagenbauer Jacques Tilly für den Rosenmontagszug in Düsseldorf aussehen? Normalerweise steigt die Spannung bis zum Rosenmontag, erst dann werden die Wagen enthüllt. Denn die satirischen Wagen sind politisch-bissig und in der Vergangenheit gab es bisweilen Versuche der Kritisierten, die Wagen mit Einstweiligen Verfügungen in letzter Minute zu stoppen. Doch in diesem Jahr haben die Düsseldorfer Karnevalisten mit ihrem einst ehernen Grundsatz gebrochen und bereits Tage vorher das Motiv eines Mottowagens verraten.

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Rosenmontagszug Düsseldorf 2023: Jacques Tilly zeigt einen Wagen schon vorher

Grund: Die Angst davor, dass sogenannte Klima-Kleber der „Letzten Generation“ den Rosenmontagszug in Düsseldorf stoppen könnten. Das brachte die Wagenbauer zum Umdenken. Bereits am Freitag hatten sie verraten, dass sich ein Wagen thematisch hinter das Anliegen der Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ stellen werde.

Nun war der Wagen auch zu sehen: „Wer sind die Klimaterroristen?“ steht auf dem Mottowagen. Darauf: Eine Klima-Kleber-Figur vor einem bedrohlichen Auto, das jede Menge CO2 ausstößt. Ein Hinterreifen ist dem Schaufelrad eines Braunkohlebaggers nachempfunden, „Garzweiler“ steht darauf. Mit dem Wagen bezieht sich Wagenbauer Jacques Tilly einerseits auf die Räumung des Tagebau-Dorfs Lützerath, gegen die Zehntausende protestiert hatten, und andererseits um die Debatte um die Aktivisten der „Letzten Generation“.

Jacque Tilly stellt sich mit Wagen hinter das Anliegen der Klimaaktivisten

Seit Wochen starten die Klima-Kleber verstärkt Aktionen, auch in NRW, wie etwa zuletzt in Düsseldorf und Köln. Autofahrer reagierten bisweilen aggressiv, zerrten Klima-Kleber von der Straße – in einem Fall schob jemand einen Klimaaktivisten sogar mit dem Auto von der Straße. Besonders harte Kritiker prägten das Wort „Klimaterroristen“ als Bezeichnung für die Aktivisten. Ein Begriff, den NRW-Innenminister Herbert Reul ablehnt und für Quatsch hält, wie er im Interview mit 24RHEIN sagt.

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Auch die Position der Düsseldorfer Karnevalisten zum Thema ist eindeutig und steckt in der gedachten Antwort auf die rhetorische Frage: Die eigentlichen Klimaterroristen sind nicht die Aktivisten, sondern diejenigen, die dem Klima schaden.

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Jacques Tilly an Rosenmontagszug in Düsseldorf mit Appell: „Ihr braucht den Zug nicht zu stören“

„Die Sorgen um die Kipppunkte sind berechtigt und die Gefahren real. Wenn durch die Klimakrise in Sibirien das Methangas freigesetzt wird, wird die Erde im wahrsten Sinne des Wortes zur Klimahölle“, sagte Jacques Tilly und appellierte an die „Letzte Generation“: „Ihr braucht den Zug nicht zu stören, das wäre kontraproduktiv. Wenn der Zug 45 Minuten steht, ist er einfach kaputt.“

Die „Letzte Generation“ reagierte auf den Appell von Jacque Tilly. «Die Sorgen um die Kipppunkte sind berechtigt und die Gefahren real. Wenn durch die Klimakrise in Sibirien das Methangas freigesetzt wird, wird die Erde im wahrsten Sinne des Wortes zur Klimahölle», sagte Tilly. Die „Letzte Generation“ reagierte am Montag mit einem schriftlichen Statement: „Das größte Interesse der Öffentlichkeit liegt nicht etwa darauf, dass es in 20 Jahren keinen Karneval mehr geben wird, wenn wir so weitermachen, sondern darauf, ob die Letzte Generation auch die Karnevalszüge unterbrechen wird.“

Klimaaktivisten äußern sich zu Ansage von Jacques Tilly

Ähnlich äußerten sich die Aktivisten bei Twitter: „Wie oft wir gefragt wurden, ob wir Karnevalszüge unterbrechen würden… Die größte Sorge scheint nicht zu sein, ob wir in 20 Jahren noch genug zu Essen und zu Trinken haben werden, sondern wie wir uns ungestört von dieser unbequemen Frage ablenken können.“ Und an anderer Stelle: „Danke, dass ihr die Klimakatastrophe mitten in den Karneval nach #Düsseldorf tragt! Doch wir müssen die Frage nach unserem Überleben UNIGNORIERBAR stellen, nicht im Scherz. Dabei müssen wir immer lauter werden. Überall im Land.“

Der Themenkomplex wird bei Twitter heiß diskutuiert. „Wenn Du den Karnevalswagen für einen Scherz hältst, hast Du nichts vom Düsseldorfer Karneval verstanden“, schreibt ein Nutzer – offenbar mit Blick darauf, dass vor allem die Mottowagen von Jacques Tilly von vielen als Satire mit ernstem Hintergrund verstanden werden. Andere reagieren genervt bis offen beleidigend auf den Post, bereits in den letzten Wochen hatte sich immer wieder angedeutet, dass die Stimmung bei vielen kippt, wenn es um die Blockade-Aktionen der Aktivsten geht. Wieder andere zeigen Sympathien für die Aktivisten. Ein Nutzer allerdings fürchtet: „Karnevalszug unterbrechen würde vielleicht mediale Aufmerksamkeit bringen aber ich fürchte für die Aktivist:innen ist das mehr als gefährlich, wenn dieselbe, die nüchtern schon gewalttätig werden, jetzt sturzbesoffen und anonym durch Verkleidung anzutreffen sind.“ (pen, mit dpa)

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