Zeche Zollverein: NRW-Kulturministerin Ina Brandes will 15 Millionen Euro ausgeben

Stand: 17:04 Uhr Autorenfoto Dr. Hoffmanns Redakteurin Kultur Das Doppelbock-Fördergerüst des Weltkurlturerbes Zeche Zollverein Essen Quelle: De Agostini via Getty Images Ärger um die Summer Academy in Essen. NRW-Kulturministerin Ina Brandes plant für 15 Millionen Euro ein Festival auf der Zeche Zollverein. Anzeige Anzeige

Als Ende des vergangenen Jahres bekannt wurde, dass Düsseldorf den Zuschlag für das Deutsche Fotoinstitut erhält, war die Enttäuschung in Essen groß. Schließlich hatte eine Expertenkommission der Ruhrgebietsstadt bescheinigt, der beste Standort für das Fotografiezentrum zu sein. Nun gehen die 41,5 Millionen Euro Bundesmittel in die Kasse der Landeshauptstadt Düsseldorf. Allerdings war damit für Essen die Sache nicht ad acta gelegt, denn seitdem wird über eine mögliche Kompensation für das entgangene Prestigeprojekt diskutiert. Dabei halten sich hartnäckig zwei Gerüchte: Das eine besagt, der Haushaltsausschuss des Bundes stelle Essen 1,5 Millionen Euro zur Verfügung. Dem anderen Gerücht zufolge handelt es sich um 15 Millionen Euro.

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Was beide Gerüchte verbindet: Das Geld soll für ein neues Festival, eine Summer Academy, auf dem Gelände der Zeche Zollverein verwendet werden. Dieses Festival soll eine Initiative zur kulturellen Bildung für Studierende und Young Professionals, also für Berufseinsteiger, werden. Eine Art Talentschmiede mit Mitmachangeboten, Workshops, Meisterklassen, Feriencamps, Managementkursen und Singschulen, fokussiert auf den Bereich Musik. So ist es in den Konzeptpapieren zu lesen, die welt.de vorliegen.

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Doch welche Summe steht der Summer Academy nun zur Verfügung? Und welche konkreten Projekte soll sie enthalten? Was auf den ersten Blick nach zwei leicht zu beantwortenden Fragen aussieht, entpuppt sich nach vielen Gesprächen mit Politikern und Kulturschaffenden als ein Verwirrspiel, in dem das NRW-Kulturministerium und das Staatsministerium für Kultur und Medien in Berlin (BKM) die Hauptakteure sind. Die beiden halten die Szene im Ruhrgebiet in Aufregung, denn schließlich soll es schon im Juli 2024 losgehen.

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Erste Klärung kommt von Otto Fricke: „Bei den 1,5 Millionen Euro, die der Bund zur Verfügung stellt, handelt es sich um keine Kompensationszahlung“, sagt der FDP-Abgeordnete, der im Haushaltsausschuss des Bundes sitzt. Und dieser Haushaltsausschuss, erklärt ein Sprecher der Kulturstaatsministerin Claudia Roth, habe „aus eigener Initiative einmalig bis zu 1,5 Millionen Euro für eine Summer Academy in Essen“ vorgesehen. Insgesamt, so ist aus dem BKM zu erfahren, würden in diesem Jahr 500.000 Euro zur Verfügung gestellt, davon 150.000 Euro für eine Machbarkeitsstudie. Die restliche Million werde 2024 folgen, allerdings nur, wenn die Studie vorliege.

Unklare Aussagen

Doch wie viel Geld wird für die Durchführung der Summer Academy bereitgestellt? Auf Anfragen beim Land NRW erhielt diese Zeitung nur unklare Aussagen. „Die Machbarkeitsstudie soll die Gesamtkosten klären“, schreibt ein Sprecher von Kulturministerin Ina Brandes (CDU). Auch eine Kleine Anfrage der SPD-Landtagsfraktion, die deren Vorsitzender Thomas Kutschaty zu Kosten und Inhalt der Summer Academy gestartet hatte, lief ins Leere. Ministerin Brandes schob die Verantwortung dem Bund zu: „Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien wird den Landtag über den jeweiligen Sachstand der Entwicklung informieren.“ Eine Nachfrage dieser Zeitung beim BKM konnte Aufschluss geben: „Weitere Haushaltsmittel sind im Bundeshaushalt nicht vorgesehen.“

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So könnte man also meinen, bei den 15 Millionen Euro handele es sich um ein Missverständnis, das auf eine simple Verschiebung einer Kommastelle zurückzuführen sei. Doch das erste Konzeptpapier der Summer Academy weist unter dem Punkt „Budget“ 15 Millionen Euro für das siebenwöchige Festival aus. „Noch nicht berechnet sind die notwendigen Infrastruktur-Investitionen“, heißt es weiter. Damit wäre die Academy eines der teuersten Kulturprojekte des Landes. Zum Vergleich: Der NRW-Kulturhaushalt beträgt rund 320 Millionen Euro. Eigentlich sollte er in diesem Jahr um 30 Millionen Euro erhöht werden, doch aufgrund der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges wurden es nur 5,6 Millionen Euro. Ungeklärt bleibt, wo die Millionen für die Academy herkommen sollen.

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Warum handhabt das NRW-Kulturministerium ein derart kostspieliges Projekt so geheimniskrämerisch und hat selbst die wichtigsten Akteure, die Stadt Essen, die Festivals im Ruhrgebiet, die Universitäten und Kulturinstitutionen, nicht einbezogen? Vielleicht, so sagen Insider, weil die Idee für die Summer Academy im Ministerium entstanden sei, und man ein Alleinstellungsmerkmal wolle. Daher wurden für die Entwicklung des Ideenpapiers mit dem ehemaligen Leiter der Bochumer Symphoniker Steven Sloane und Marietta Piekenbrock, zuletzt Programmdirektorin der Berliner Volksbühne, auch externe Fachleute engagiert. „Wir waren nicht in die Vorbereitung eingebunden“, sagt eine Sprecherin der Stadt Essen. Aus der Zeitung hätten sie von der Academy erfahren. Darüber ist Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) ungehalten, schließlich stehe die Zeche Zollverein auf dem Areal seiner Stadt. Zudem sei die Stadt neben dem Land NRW und dem Landschaftsverband Rheinland Träger der Stiftung Zollverein. „Aber ohne die Beteiligung vor Ort geht es nicht“, sagt Kufen. Denn es ist allen voran die Stiftung Zollverein, die das Projekt schultern muss. Deren Stiftungsspitze hält sich bedeckt. Auch auf mehrfache Nachfrage äußerte sie sich dazu nicht, wahrscheinlich, weil sie es sich, wie die meisten Kulturinstitutionen, nicht mit dem Land, einem wichtigen Geldgeber, verscherzen will.

Gelände der Zeche Zollverein Essen Quelle: Ulrich Baumgarten/Getty Images

Dass OB Kufen überhaupt Kenntnis von den Plänen der Kulturministerin erhalten habe, sei einer Indiskretion geschuldet, behaupten Insider. Das Konzeptpapier sei nach der Fertigstellung von einem Mitarbeiter des Kulturministeriums durchgestochen worden.

Der Unmut ist jedoch nicht nur in Essen zu spüren. Viele Kulturschaffende im Ruhrgebiet, mit denen diese Zeitung gesprochen hat, sind alarmiert. Schließlich soll die Summer Academy genau in dem Zeitraum stattfinden, in dem unter anderem die Ruhrtriennale und das Klavier-Festival Ruhr laufen.

Es herrscht viel Skepsis

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Daher wurden in den vergangenen Wochen zwei Zoom-Konferenzen eingerichtet, an denen unter anderem Vertreter von Chorwerk Ruhr, PACT Zollverein, dem Museum Folkwang, der Chorakademie Dortmund, dem Regionalverband Ruhrgebiet (RVR) und der Ruhrtriennale teilnahmen. „Wir wurden alle aufgefordert, unsere Ideen und Vorstellungen zu skizzieren und dabei ‚groß zu denken‘“, berichten Teilnehmer. Insgesamt sei gegenüber dem Verhandlungsführer des Landes eine starke Skepsis über die Durchführbarkeit eines solchen Mammutprojekts in schon einem Jahr zum Ausdruck gebracht worden.

„Wir sind gewohnt, große Projekte auf den Weg zu bringen“, sagt Andreas Jacob, Rektor der Folkwang Universität der Künste. Aber die überzogenen Erwartungen seien in der Kürze der Zeit nur schwer einlösbar. Auch deshalb, so wird kritisiert, weil die Verfasser des Konzeptpapiers einige Kernfragen nicht hätten klären können: „Geht es um soziale Aspekte oder um die Ausbildung von jungen Menschen, will man exklusive Förderung oder Breitenkultur, will man die Bevölkerung in Essen und das Ruhrgebiet erreichen oder vielleicht doch die ganze Welt?“

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Das Land nimmt sich keine Zeit, um das Projekt in Ruhe zur Reife zu bringen. Ministerin Brandes mache viel Druck, sagen Insider. Dabei weiß jeder Kulturmanager, dass kurzfristig weder Spitzen-Künstlerinnen und -Künstler engagiert werden können, weil diese schon über Jahre im Voraus ausgebucht sind. Noch ist es von heute auf morgen möglich, neue Spielstätten auf Zollverein einzurichten und Personal für Organisation und Technik zu finden. Nur wenige Institute brauchen eine so kurze Vorlaufzeit wie die Chorakademie Dortmund mit ihren 32 Chören: „Wir warten einfach, bis ein konkretes Konzept vorliegt. Dann bieten wir, was gefragt ist, vom kleinen Chor bis zur riesigen Mitsing-Aktion, von der Einzelförderung bis zum Gruppenworkshop“, sagt Geschäftsführer Stefan Quehl.

Vom Vorgehen der Ministerin ist selbst ein erfahrener Politiker wie Andreas Bialas, kulturpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, „überrascht“. In diesen Krisenzeiten brauche die Kultur nachhaltige Projekte. Mit 15 Millionen Euro könne man auch viel für die geschwächten Kulturinstitute und Künstler in NRW machen.

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