Wohnungsmarkt in Nordrhein-Westfalen unter Druck

Stand: 09:15 Uhr n Dortmund entwickelt Vivawest aus Gelsenkirchen das Modellquartier Bergmannsgrün. Mindestens 30 Prozent der rund 200 Neubauwohnungen dort werden öffentlich gefördert errichtet. In Dortmund entwickelt Vivawest aus Gelsenkirchen das Modellquartier Bergmannsgrün. Mindestens 30 Prozent der rund 200 Neubauwohnungen dort werden öffentlich gefördert errichtet. Quelle: Vivawest, GE Wegen der gestiegenen Baukosten und Zinsen werden im größten Bundesland zu wenig neue Bauprojekte geplant. Auch Sozialwohnungen werden knapp. Um den Mangel an Wohnungen zu verringern, fordern Verbände und Wissenschaftler ein Absenken der Standards und mehr öffentliche Förderung. Anzeige Anzeige

Beim Dortmunder Spar- und Bauverein werden weiterhin Neubauprojekte geplant, trotz gestiegener Zinsen und Baukosten. Am Rand der Innenstadt entstehen 22 Wohnungen in einer alten Schule, eine bestehende Siedlung wird die Wohnungsgenossenschaft umfassend modernisieren und durch Dachaufstockungen neue Wohneinheiten schaffen, die als Klimaschutzsiedlung ausgezeichnete Neubaumaßnahme „Ewige Teufe“ steht für 36 neue Wohnungen. Auch mit der Stadt führt die Genossenschaft Gespräche zum Ankauf von Grundstücken. „Wir arbeiten auch in diesen herausfordernden Zeiten daran, für unsere Mitglieder weiteren, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“, sagt Karsten Statz, Leiter des Vorstandsstabs für Geschäftsbeziehungen und Kommunikation.

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So gut wie bei der Dortmunder Genossenschaft läuft es in NRW vielerorts nicht mehr. Wegen der gestiegenen Bau- und Energiekosten, des Zinsniveaus sowie des Mangels an Bauland haben Investoren und Bauträger die Errichtung neuer Einheiten drastisch reduziert. Dabei müssten in NRW in diesem Jahr 80.700 Wohnungen gebaut werden, um den Bedarf zu decken. Diese Zahlen präsentierte in der vergangenen Woche das Pestel-Institut zur Erforschung regionaler Wohnungsmärkte gemeinsam mit IG Bau, Deutschem Mieterbund und weiteren Verbänden in Berlin.

Nur jeder zehnte Berechtigte bekommt in den großen Städten eine Sozialwohnung

In Düsseldorf geht Daniel Zimmermann, Geschäftsführer des Mieterbunds NRW, von einem ganz ähnlichen Bedarf aus. „Zuletzt lagen wir aber bei weniger als 50.000 neuen Wohnungen.“ Während das Pestel-Institut NRW bei den Sozialwohnungen im bundesweiten Vergleich noch vergleichsweise gut versorgt sieht, macht Zimmermann ein größeres Defizit aus. Um die Jahrtausendwende habe es in NRW noch etwa eine Million solcher preisgedämpfter Wohnungen für finanziell schwache Haushalte gegeben, seitdem habe sich die Zahl halbiert. „Das bedeutet, dass in den großen Städten statistisch nur jeder zehnte Berechtigte in den Genuss einer Sozialwohnung kommt.“

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Während jährlich etwa 7000 Wohnungen nach 20 bis 30 Jahren aus der Sozialbindung herausfallen, gibt es seit Jahren keinen ausreichenden Ersatz mehr. Und auch „normale“ Mietwohnungen werden seit 2022 kaum noch gebaut. Große NRW-Konzerne wie die LEG in Düsseldorf und Vonovia in Bochum lassen den Neubau seitdem ganz auslaufen und bauen nur noch begonnene Projekte zu Ende. Lediglich bei Vivawest in Gelsenkirchen geht man aktuell davon aus, in den kommenden Jahren durchschnittlich rund 700 neue Wohnungen pro Jahr zu schaffen – rund 20 Prozent davon öffentlich gefördert. Neben Projekten in Dortmund und Düsseldorf verwirklicht der gewerkschaftsnahe Immobilienkonzern in Rheinbach bei Bonn gerade das Majolika-Quartier. „Mit dessen Realisierung haben wir im Herbst 2023 begonnen – trotz der geschilderten wirtschaftlichen Ausgangslage“, so Vivawest-Sprecher Gregor Boldt. In Rheinbach sollen bis 2026 eine Tagespflege und 174 neue Wohnungen entstehen – darunter 24 öffentlich geförderte Senioren-Appartements.

Sorgenkind bleibt der frei finanzierte Wohnungsbau

„Es ist eigentlich die Zeit für mehr öffentlichen Wohnungsbau“, sagt Daniel Zimmermann vom NRW-Mieterbund. Dazu müssten sowohl die kommunalen Wohnungsbauunternehmen wie auch die Genossenschaften gestärkt werden. Doch auch die sozial orientierte Wohnungswirtschaft in NRW mit über 470 Mitgliedern – darunter rund 320 Genossenschaften, über 70 öffentliche und kommunale Wohnungsunternehmen und mehr als 50 Immobilienunternehmen der Privatwirtschaft – verzeichnet einen Einbruch. Alexander Rychter, Direktor des Verbandes der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen, berichtet von einer aktuellen Umfrage, wonach viele Unternehmen ihre Baupläne reduzieren müssten. „Rund 70 Prozent der befragten Mitgliedsunternehmen wollen den Neubau stark reduzieren oder ganz einstellen.“ Das große „Sorgenkind“ bleibe der frei finanzierte Wohnungsbau, sagt Rychter, dessen Verband für etwa 30 Prozent des Wohnungsmarktes in NRW und dem nördlichen Rheinland-Pfalz steht. Denn ohne Förderung könne man derzeit im Grunde nur noch so planen und bauen, dass später Kaltmieten von 16 bis 19 Euro im Quadratmeter genommen werden müssten. Deshalb schauten sich viele Bauträger derzeit auch nach geförderten Projekten um, weil solch teure Objekte nur auf eine relativ geringe Nachfrage stoßen würden.

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Zur Verbesserung der Lage schlägt das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW) vor, bei Planung und Bau auf bestimmte Elemente zu verzichten.„Wenn eine Wohnung kein Gäste-WC hat, wird sie im Durchschnitt um drei Prozent günstiger angeboten“, sagt Christian Oberst, Referent für Wohnungspolitik am IW. In Deutschland hänge man auch zu sehr an gewissen Baustandards, in den Niederlanden und Belgien sei das anders. Dort würde auch bei Neubauten zumeist keine Grunderwerbssteuer erhoben. Daneben appelliert Oberst an die Kommunen, beim Verkauf von Flächen freiwillig Abstriche zu machen. „Wenn eine Stadt beim Bauland auf zehn Prozent verzichtet, kann sie im Gegenzug positive Effekte durch die späteren Eigentümer und Mieter erzielen, etwa über die Grundbesitzabgaben“, sagt der promovierte Ökonom. Generell aber biete der Verzicht auf Wohnfläche den größten Hebel für geringere Kauf- und Mietpreise.

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Der Mieterbund NRW warnt hingegen davor, Grundstücke billig an Investoren abzugeben, ohne zugleich Bedingungen für spätere Mieten festzulegen, so Geschäftsführer Zimmermann. Zugleich sollten die Kommunen möglichst auf Ausschüttungen ihrer Wohnungsbaugesellschaften verzichten, um diese zu stärken.

Wie IW-Experte Oberst regt auch Verbandsdirektor Rychter eine offene Diskussion über Baustandards an, um Baukosten zu senken und damit das Wohnen bezahlbar zu halten; hier lohne ein Blick über die Grenze in die Niederlande. „Die in Deutschland gängige Unterkellerung ist dort die Ausnahme, es werden dünnere Wände errichtet, und unsere Nachbarn setzen schon jetzt stark auf serielles Bauen und Modernisieren.“ Die Menschen im Nachbarland lebten dort aber auch gut und sicher.

Ohne private Investoren geht es nicht

Neben der bereits beachtlichen Bauförderung durch das Land – 1,7 Milliarden Euro in 2024 – sieht Rychter auch den Bund gefragt, und zwar beim Thema Zinsen: „Mit einer Subvention der Zinsen auf ein Prozent könnte eine Nettokaltmiete von zwölf Euro pro Quadratmeter und Monat erreicht und eine solche Mietobergrenze garantiert werden.“ Für NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) ist die öffentliche Wohnraumförderung „der Fels in der Brandung bei dem derzeit stark im Sturm stehenden Immobilienmarkt“. Einer Absenkung der Grunderwerbsteuer von derzeit 6,5 Prozent erteilte Scharrenbach jedoch eine Absage: „Angesichts der derzeitigen Haushaltslage ist an dieser Stelle kein Entlastungspotenzial da.“

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IW-Wissenschaftler Christian Oberst sieht beim Schaffen von Wohnraum vorrangig private Investoren am Zug. „In den vergangenen Jahren hat die öffentliche Hand lediglich etwa ein Prozent der neuen Wohnungen verwirklicht“, sagt Oberst. Auch wenn die Zinsen und Baukosten derzeit hoch sind, könnten sich Investitionen in Wohnraum weiterhin lohnen.

In Düsseldorf verwirklicht die Cube Real Estate GmbH das Projekt Cube Central 378 (vorne im Bild). Auf rund 13.000 Quadratmeter entstehen neue Wohnungen Quelle: Cube Real Estate Leverkusen

Während viele private Projektentwickler durch die Krise in Schieflage sind, läuft es beim Mittelständler Cube Real Estate GmbH in Leverkusen weiter gut. „Wir stehen auf soliden Füßen“, sagt Moritz Laufer, der bei Cube für die Akquise neuer Grundstücke und die Finanzierung verantwortlich ist. Die vor zehn Jahren in Köln gegründete Firma hat sich auf möblierte Apartments zwischen 20 und 35 Quadratmetern Größe für Studenten und junge Fachkräfte spezialisiert. Die kosten in der Regel um die 25 Euro kalt im Quadratmeter. „Damit kommen die Nutzer aber bei 20 Quadratmeter Größe auf eine 600-Euro-Warmmiete, die für viele Menschen erschwinglich ist“, so Laufer. Gebaut wurden und werden diese Objekte überwiegend in NRW, etwa in Aachen, Bonn und Düsseldorf. Derzeit habe man bis Ende 2031 Wohnflächen von 121.000 Quadratmetern „in der Pipeline“, so Laufer. Durch die derzeitige Krise kämen auch viele Grundstücke wieder auf den Markt. Auch bei Cube fordert man eine Vereinfachung der Bauvorschriften. So habe man in Leverkusen 300 Apartments nahe dem Bahnhof Opladen gebaut und dazu 100 Stellplätze schaffen müssen. „Vermietet sind davon derzeit nur etwa 20“, berichtet Laufer. Die meisten Mieter seien Studenten. „Die haben zumeist kein Auto und brauchen dank der guten Bahnanbindung Richtung Köln und Düsseldorf auch keins.“

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