Blackout: Ein Horror-Szenario für Krankenhäuser

Veröffentlicht am 07.11.2022 Operation im Dunkeln Quelle: Getty Images/Gallo Images ROOTS Collection/Anna Bizon Hier können Sie unsere WELT-Podcasts hören Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen. Podcast freigeben Die Gefahr eines „Blackouts“ ist in aller Munde. Ob die Krankenhäuser im Land für einen großflächigen Stromausfall gewappnet wären – das weiß niemand. Laut Studien wäre spätestens nach einer knappen Woche die medizinische Versorgung zusammengebrochen. Anzeige Anzeige

Strom bedeutet Leben. Die Einsicht wird derzeit häufig bemüht – mit Blick auf Krankenhäuser. Operationen und künstliche Beatmung der Patienten sind nur mit Elektrizität möglich. Auf Intensivstationen steht und fällt alles mit der Verfügbarkeit von Strom. Auch Dialyse-Patienten brauchen zum Überleben strombetriebene Geräte. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen. Deshalb ist die Möglichkeit eines „Blackouts“, also eines mehrtägigen überregionalen Stromausfalls, für Krankenhäuser ein Horror-Szenario. Die Sorge davor geht um, seit etwa der Städte- und Gemeindebund einen Blackout für realistisch erklärte. Sind die 337 Krankenhäuser in NRW für diesen Fall gewappnet?

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Träte er ein, müssten sich die NRW-Kliniken auf massiven Zustrom von außerhalb einrichten. Zusätzlich zu den durchschnittlich etwa 86.500 vollstationären Patienten pro Woche kämen Hilfebedürftige aus Altenheimen, Arztpraxen, Dialyse-Zentren, Hospizen, aber auch psychisch kranke Straftäter aus Forensiken.

Spätestens nach einer knappen Woche wäre die medizinische Versorgung zusammengebrochen. Das legen zwei noch heute maßgebliche Studien von 2012 nahe, die sich den Folgen eines Blackouts im Gesundheitsbereich gewidmet haben – eine vom Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag, die andere von der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht. Bezeichnenderweise sind beide ein Jahrzehnt alt. Blackout-Folgen in Kliniken standen bislang am Rande des wissenschaftlichen Interesses.

Keine Daten

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Im Gesundheitsministerium, das mit den besten Überblick über die Lage der Kliniken besitzt, ist man besorgt. Es warnt gegenüber WELT AM SONNTAG, „eine stärkere Auseinandersetzung der Krankenhäuser mit potenziell eintretenden Ereignissen, insbesondere einem Strom-Blackout“, sei „dringend erforderlich“. Deshalb habe das Ministerium mit Krankenhäusern, forensischen Kliniken und Hospizen über ihr Krisenmanagement auch schon gesprochen. Doch niemand weiß, wie gut Krankenhäuser in NRW auf das Worst-Case-Szenario vorbereitet sind. Also auf die Frage, woher sie im Falle des Blackouts den Strom nehmen werden.

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Es gibt zwar eine nicht repräsentative Umfrage des Deutschen Krankenhaus-Instituts (DKI) unter deutschlandweit 288 Krankenhäusern; aber deren Auswertung für NRW war wegen mangelnder Aussagekraft nicht möglich. Auch die Krankenhausgesellschaft NRW (KGNW), der 220 Krankenhausträger angehören, erklärte auf Anfrage, es lägen ihr keine Daten vor, um zu überblicken, wie viele Häuser wie viele Stunden mit Notstromaggregaten weiterarbeiten könnten.

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Das Ministerium hat nun eine Abfrage der NRW-Krankenhäuser gestartet. Ergebnisse werden erst Ende November vorliegen. Auch die Facharztverbände der Herzspezialisten und Nierenärzte blieben auf Anfrage dieser Zeitung Antworten schuldig. Sie konnten offenbar nicht einmal grob überblicken, ob und wie lange Kardiologie-Praxen und Dialyse-Zentren bei einem Stromausfall den Betrieb aufrechterhalten würden.

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Wie groß der Zustrom aus solchen Praxen in die Krankenhäuser ausfallen würde, ist also ebenfalls unklar. Laut Andreas Frädrich, Fachmann für Innovation im Gesundheitssystem von der Agentur German Health, ist es um die Notstromversorgung von Arztpraxen und Dialysezentren schlecht bestellt. Jedenfalls war es das vor einem Jahrzehnt. Ohne Notstromversorgung aber „halten Dialysezentren zwischen zwei und acht Stunden durch“, bilanzierte Frädrich 2012.

Keine Kontrolle

Bislang fehlt es den NRW-Kliniken bei entscheidenden Fragen der Vorsorge aber auch an Kontrolle. So müssen sie laut Bundesamt für Bevölkerungsschutz zwar dafür sorgen, dass sie mit dieselbetriebenen Notstromaggregaten mindestens 24 Stunden arbeiten können. Auch müssen sie ihre Notfallplanungen regelmäßig prüfen.

Unkontrolliert ist aber, ob diese Pflichten eingehalten werden und ob sie sich auf einen nur örtlichen oder auf einen bundesweiten Stromausfall vorbereiten. Zuletzt 2012 kam der TÜV zu dem Ergebnis, die Dieselgeneratoren der NRW-Kliniken besäßen in der Regel eine Kapazität für 24 Stunden.

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Laut erwähnter DKI-Studie sind bundesweit derzeit aber nicht alle Häuser imstande, 24 Stunden durchzuhalten. Sieben Prozent müssten bei Stromausfall sofort den Betrieb einstellen, 21 Prozent könnten oft nur wenige Stunden weiterarbeiten. Auch ob die Kommunen alle 337 Krankenhäuser nach den ersten Stunden im Notstrommodus mit Kraftstoff versorgen können, weiß niemand – obgleich es sich dabei um eine zentrale Frage handelt. Denn die Tankstellen werden dann aufgrund des Blackouts nicht mehr funktionieren.

Der Treibstoff-Nachschub muss also anders organisiert werden. Innenministerium und Gesundheitsministerium, die beiden für Katastrophen- und Zivilschutz zuständigen Ressorts, konnten dazu auf Nachfrage keine sichere Aussage treffen. Aber selbst Krankenhäuser mit funktionierendem Notstromaggregat müssten den Betrieb einschränken.

Laut DKI-Studie wären bundesweit etwa 80 Prozent der Kliniken gezwungen, ihre Leistung herunterzufahren. Auch ein KGNW-Sprecher bestätigt für NRW: „Durch die Notstromversorgung werden nur bestimmte Bereiche des Krankenhauses, wie Operationssäle oder Notfallversorgung, betrieben. Eingriffe werden verschoben, sofern dies medizinisch vertretbar ist.“

Keine Prognose

Wie sehr auch die KGNW im Dunkeln tappt, verdeutlicht ein weiterer Hinweis des Sprechers: „Fällt der Strom großflächig für einen längeren Zeitraum aus, bestimmt das Ausmaß, wie reagiert wird.“ Welche Reaktionen dann denkbar wären, darüber gibt die KGNW keine Prognose ab.

Dass Politik und Krankenhäuser bislang mit solchen Ungewissheiten leben, hat mit der Unwahrscheinlichkeit eines Blackouts zu tun. Schließlich betonen Bundesnetzagentur und Netzbetreiber, eine Krise im Stromsystem sei im Winter „sehr unwahrscheinlich“ , allenfalls „stundenweise“ möglich. Das bestätigte der bis September durchgeführte Stresstest der Stromversorgung im Auftrag des Bundes.

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Andererseits räumen Energie-Experten wie Dominik Möst von der TU Dresden ein, „die Gefahr eines flächendeckenden Blackouts“ sei zwar gering, aber nicht auszuschließen. Erst 2021 habe es EU-weit fast einen Blackout gegeben. Und die Experten vom Deutschen Städte- und Gemeindebund kamen gleichfalls zum Ergebnis, „die Gefahr eines Blackouts“ sei „gegeben“, falls zum Beispiel „die 650.000 in diesem Jahr verkauften Heizlüfter ans Netz gehen sollten.

Zudem relativieren Experten etwa der Bundesnetzagentur ihre Entwarnung oft mit dem Zusatz, „vollständig ausschließen“ könne man derartige Ausfälle natürlich nicht. Auch forderte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz erst jüngst die Bevölkerung auf, ausreichend Lebensmittelreserven für den Blackout-Fall anzuhäufen.

Keine Alternative

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Es bleibt also Platz für Sorgen. Den füllte jüngst die AfD im Landtag. Während die anderen Parteien das Thema kaum öffentlich diskutieren möchten, forderte der AfD-Vorsitzende Martin Vincentz von der Landesregierung einen Krisenstab und einen überregionalen Notfallplan. Andernfalls riskiere sie „erneut, wie vor der Flutkatastrophe, viele Menschenleben“. Welche Alternative bleibt einer Regierung da noch – außer der Vorbereitung auf noch so unwahrscheinliche Eventualitäten?

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